Liebe verboten?

Das Erste verschickt „Blaue Briefe“ an Internet-Fanpages / Besorgnis wegen möglicher Urheberrechtsschutz-Verletzungen

VON KURT SAGATZ

Die Serie "Verbotene Liebe" (ARD, wochentags um 17 Uhr 55) ist sicherlich nicht jedermanns Sache, gleichwohl gehört die Soap zu den erfolgreichsten des "Ersten". Und so, wie Jugendliche die Starschnitte ihrer Idole an die Kinderzimmertüren kleben, verwenden enthusiastische Verehrer im Internet-Zeitalter viel Zeit und Mühe auf die Gestaltung aufwendiger Fanpages im lnternet. Getrieben von dem Anspruch, den vorhandenen professionellen Angeboten im Web in nichts nachstehen zu wollen, nutzen die recht jungen Netizens jede verfügbare Hardware von TV-Karte bis Scanner, um Multimedia-Inhalte jedweder Art auf die Seiten zu packen. Das fängt an bei kleinen Bildern von den TV-Stars, geht weiter über grafische Elemente wie Logos und hört auf bei der Einstellung kleinerer Videoclips aus der Sendung oder der Titelmelodie.

Die meisten Sender haben gegen dererlei Verbundenheit der Fans mit den eigenen Serien überhaupt nichts einzuwenden. Einzig einigen kommerziell getriebenen "ßig-Brother"-Fanpages wurde die rote Karte gezeigt, als man dort zu leichtfertig mit dem geistigen Eigentum der Endemol-Produktion umging. Nun sieht es aber so aus, als ob die ARD sich gezwungen sieht, den Weg-Getreuen der "Verbotenen Liebe" - am Freitag lief übrigens die 1355. Folge in der sechsten Staffel - den Betrieb ihrer Seiten zu erschweren, obwohl die Mehrzahl dieser Fanpages alles andere als kommerziell betrieben ist. In einer Rundmail der Online-Redaktion des Ersten werden die Webmaster der Fanseiten darauf aufmerksam gemacht, dass sie auf ihren Seiten urheberrechtlich bedenkliches Material veröffentlichen.

Zwar wird betont, dass die ARD keineswegs vorhabe, gegen die Seiten juristisch vorzugehen. Aber genauso deutlich wird erläutert, dass dies die eigentlichen Rechteinhaber wie zum Beispiel Grundy/UFA oder auch die Darsteller tun könnten. Überdies mache sich die ARD strafbar, wenn über die eigene Verbotene-Liebe-Internetseite auf die privaten Fanpages mit den rechtlich nicht gedeckten Inhalten verwiesen werde. "Wir lassen euch 14 Tage Zeit und schauen uns die Seiten noch mal an. Sollten wir dann noch Bilder finden, müssen wir leider euren Link von unseren Seiten entfernen. Dazu sind wir verpflichtet", heißt es in dem Schreiben weiter.

Für Philipp Krisch, hauptberuflich Webprogrammierer in Berlin und in der Freizeit Mitbetreiber der Seiten von www.vl-underground.de, ist das Schreiben absolut unverständlich. Die Fanpage hat sich zum Ziel gesetzt, die Serie mit kritischer, aber liebevoller Distanz zu betrachten und zählt zu ihren Besonderheiten, dass dort ein rege genutztes Diskussionsforum läuft. Krisch ist nun völlig verunsichert, was von dem Schreiben zu halten ist und ob er seinem Hobby im Internet weiter nachgehen kann, obwohl er doch mit den Seiten kein Geld verdient, im Gegenteil: sogar noch welches reinsteckt. Wovon die Sendung schließlich wieder profitiert, wie er in seinem Antwortbrief an die Online-Redaktion anmerkt. "Es macht den Eindruck, als wenn Ihr damit Euren Fanclubs das Wasser abgraben und damit den Ast absägen wollt, auf dem VL sitzt", ist sein Urteil zum Vorgehen des Senders. Die Betreiber von vl-underground.de haben jedenfalls erste Konsequenzen gezogen und am Donnerstag der ARD mitgeteilt, dass sie eine weitere Verlinkung von der offiziellen VLSeite www.das-erste.de/liebe ablehnten.

Auch der freundliche Ton, in dem die ARD den Fanpages ihre Bedenken mitteilt, kann somit nichts daran ändern, dass die Wogen in der VL-Community hoch gehen. Allerdings offensichtlich an falscher Stelle, denn bei einigem, was im Netz zu "Verboten Liebe" steht, sind ganz andere Rechte des Ersten, von Grundy/UFA und auch den Darstellern betroffen. Einige Forumbetreiber sind offensichtlich nicht in der Lage, ihre Diskussionsbereich von verbalen Entgleisungen aus dem sexistischen Bereich zu säubem und die Übernahme von Kerstin-Landsmann-Nacktfotos erscheint mehr als bedenklich, auch wenn im betreffenden meome.de-Forum dazu die Frage gestellt wird: "Gefallen Euch die Fotos? Oder findet ihr sie billig? Sagt es allen! Im Gästebuch."

Grundy/UFA hat deshalb bereits in der Vergangenheit einigen Website-Betreibern klar gemacht, dass alles seine juristischen Grenzen hat und das Erste zudem gebeten, einen einwandfreien Umgang mit deren Links zu Fanpages sicherzustellen, wie Ingrid Günther von der Online-Redaktion des öffentlich-rechtlichen Senders erläutert.

Zu den Seiten, die bei Rechteinhabern wie Grundy/UFA, aber auch Zeitschriften wie "Bravo" zumindest Bedenken auslösen könnten, gehört die Fanpage von Stefan Hättich, einem Schüler aus dem Schwarzwald, der noch keine Folge von "Verbotene Liebe" verpasst hat. Aus Unzufriedenheit über die offizielle Fanbetreuung hat er die Site www.vl-forum.de ins Leben gerufen. Neben Klatsch, Tratsch, News und Gerüchten gibt es dort einen ganz besonderen Service. Um nicht urlaubsbedingt wichtige Handlungsstränge zu verpassen, kann man sich die entsprechenden Folgen aufnehmen lassen. Zum ARD-Brief meint er nur: "Das lassen wir uns doch nicht gefallen!"

"Wir freuen uns sicher über die Fanseite aber wir haben auch eine Verantwortung für unsere Links", hält Ingrid Günther dagegen. Ein harter Kurs gegen Fans soll allerdings nicht gefahren werden, sagte sie und ergänzt, man sei gerne bereit, über Lösungen nachzudenken. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die Vorabend-Serie "St. Angela", bei der der Sender ausdrücklich zur Gestaltung von Fanseiten aufgefordert und die Betreiber durch entsprechendes Material unterstützt hat. Darüber würden sich vermutlich auch absolut harmlose Seiten wie "Manjas Henning-und-Clarissa-Fanpage" freuen. Zurzeit kann dort jedoch betrachtet werden, welche Bedeutung die privaten Fanpages dem ARD-Schreiben beimessen. Unter home.t-online.de/home/manja-lang hat die 26-jährige Berliner Politikwissenschaft-Studentin bei allen VL-Bildern der Frontpage ein "Zensiert' drübergeschrieben und stellt sich die Frage, ob nicht ihre Seite "bald offline" sein wird. Denn wenn auf den Intemet-Fanpages keine Bilder mehr erlaubt sind, bleibt echten Fans am Ende nur wieder der Starschnitt ihrer ldole.

(Bildunterschrift zu den Acreenshots von Manja)
HILFLOSER PROTEST.  Was sollen die Betreiber privater Fanpages tun, wenn ihnen die Nutzung von Fotos und Logos untersagt wird?  Ohne Bilder verlören die Seiten an Anziehungskraft, meinen die Fans.

(Quelle und © by Der Tagespiegel (www.tagesspiegel.de)vom 10.9.2000)  

Vielen Dank an Manja!